Ich finde den Blick auf die andere Seite viel relevanter:

Wie ergeht es denen, die den Sprung in eine neue Berufswelt NICHT wagen?

Obwohl sie schon lange unzufrieden sind. Obwohl ihr Herz sie danach ruft. Und vor allem: Obwohl sie es könnten.

Ich frage mich: wie zufrieden kann denn ein Leben 360° aussehen, wenn ich mich in einem sehr relevanten Bereich -meiner Erwerbstätigkeit- von einem wichtigen Teil von mir selber abtrenne? Welche Auswirkungen hat das auf meine Gesamtzufriedenheit - mit mir, und damit auch automatisch mit allen anderen Menschen? Wenn ich mir schon selber nicht zuhöre oder meiner inneren Stimme nicht traue - wie höre ich dann anderen Menschen zu, und wie sehr vertraue ich der Stimme anderer Menschen? Last but not least: wie soll ich an einer Stelle meines Lebens "authentisch" sein, z.B. als Führungskraft, wenn ich in mir nicht authentisch bin?

Ich glaube: wir greifen zu gerne und zu schnell nach der Angst. Denn:

Angst ist wie Fast-Food: überall verfügbar. Jeder weiß, daß es ungesund ist, und trotzdem greift er danach.

In diesem konkreten Fall: Die Angst vor dem Scheitern. Die Angst vor Verlust von Ansehen oder Status. Die Angst davor, alleine und Erste*r damit zu sein. Wir kaufen den hingeworfenen Brocken der Angst nur zu gerne, weil er uns kurzfristig frei davon macht, einen Schritt über unseren Schatten gehen zu müssen. Und daß, obwohl wir wissen, daß hinter dem Schatten eine neue Sonne steht.

Vielleicht hilft es, wenn wir die Bilder im Kopf kleiner machen. Wenn wir nicht von einem "Sprung" reden, denn danach kommt immer gleich das "kalte Wasser". Sondern von einer Synthese. Vom Zusammenbringen von Themen, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen.

Denn: es kann doch nur eine Verbindung von Dingen sein, die schon in Dir zusammengehören - sonst würdest Du sie ja nicht beide in Dir tragen können!

Und damit wird daraus kein Widerspruch, sondern ein kompletteres Bild, ein vollständigeres Leben. Was für einen Beitrag zu Deiner persönlichen Lebensqualität kann es sein, wenn Du Dich nicht mehr wie ein wandelnder Widerspruch fühlst?

Und wer sagt denn, daß die Entscheidung digital, null oder eins, barfuß oder Lackschuh, entweder oder, ganz oder gar nicht, hü oder hott, schwarz oder weiß, oder sogar: Himmel oder Hölle!, ist? Und ich damit alles wegwerfen muß, was ich bisher in meinem Leben hatte? Dann vielleicht nicht nur den Job, sondern vielleicht auch noch Menschen dazu.? Natürlich macht dieses Bild eine Riesenangst! Mir auch, wenn ich es abrufe (was ja ganz einfach ist). Jedoch: Das kaufe ich nicht. Denn es ist so nicht.

Ich hoffe, daß das Dossier in "Die ZEIT" mehr Menschen dazu ermutigt, sich und ihre vielfältigen Interessen und Stärken zu leben. Denn: wir können nur unser Leben leben. Und nicht das der Anderen.